Dienstag, 29. Juli 2025

Iron Maiden in Stuttgart

Was einem so alles unterkommt: letzte Woche ruft mich meine Schwägerin an, sie hat Tickets für Maiden in Stuttgart, ob ich mitkommen will. Hm, also nur einzeln mit nem übrigen Ticket wär ich nicht hingegangen, aber als gemeinsame Unternehmung fand ich es dann doch interessant.

Hier will ich drei Tagebuchnotizen festhalten: zum Konzert selber, zu der Kategorie "Bands der ersten Stunde" und zum Format "Stadionkonzert".

Das Konzert selber war musikalisch, vom Sound und der Bühnenshow definitiv erste Klasse. Als Späteinsteiger ohne Jugenderinnerungen an diese Musik erlebe ich da zwar keinen Nostalgieflash, aber der Sound war klar und ordentlich, die Bands gut aufgelegt und das Gesamterlebnis professionell und erfreulich.

Der Job der Vorband ist natürlich bei so einem Konzert beliebig undankbar, die meisten Leute kommen ja ausdrücklich und sicher fast nur wegen der Hauptband. Ich hatte selber auch erst kurz vor knapp geschaut wer überhaupt spielt - andererseits standen in unserer Nähe immerhin zwei Herren im Avatar-T-Shirt.

Avatar also. Ich kannte die nicht und war angenehm überrascht und gut unterhalten. Sehr bunter Musikmix von rumpligem Death Metal bis zu langsameren, fast Varieté-mäßig melodiösen Stücken. Und eine sehr professionelle, durchchoreographierte, routiniert vorgetragene Bühnenshow mit passend, aber nicht uniformierten Klamotten, vielen synchronen Headbang-Runden der Gitarristen mit wirklich sehr langen Haaren, und so weiter.

Und natürlich einem Frontmann, der nicht nur den Sänger mit phänomenal breitem stimmlichen Repertoire vom Klargesang bis zu vielen verschiedenen Growls und Screams gab, sondern auch mit der Aura eines Zirkus- oder Varieté-Conferenciers aus alten Zeiten und mit einer Maske irgendwo zwischen Corpsepaint a la Abbath und schwarz-weißem Pierrot einen echten Entertainer auf die Bühne brachte, mit liebenswürdigen, teilweise etwas langatmigen aber freundlichen Ansagen. Auf deutsch, fehler- und fast akzentfrei vorgetragen mit dem Seitenhieb dass sein Deutsch zwar nicht perfekt ist aber definitiv besser als unser Schwedisch.

Da kriegt man durchaus Lust, sich die Truppe mal anzuschauen wenn sie selber Headliner sind.

Und was soll man zu Iron Maiden sagen? Die haben einfach abgeliefert. Musik ist ohnehin gut und legendär, die Auswahl war prima aus verschiedenen, größtenteils älteren Alben und mit vielen, aber nicht nur, Gassenhauern zum Mitsingen für alle. Sound war prima, laut und rund aber nicht zu laut.

Die Show bediente viele Erwartungen: 

  • ordentliches Bild auf den seitlichen Videoleinwänden (allerdings meistens "nur" einzelne Personen, so dass die Gesamtchoreo nur für Leute mit direktem Blick auf die Bühne sichtbar war)
  • bühnengroße Videoleinwand statt Backdrop, mit vielen zum jeweiligen Lied passenden Animationen inspiriert von den Plattencovern oder Themen, und nicht zuletzt immer wieder Eddie in verschiedenen Kostümen in Szene gesetzt.
  • Apropos Eddie: das berühmte Maskottchen zeigte sich auch zweimal leibhaftig auf der Bühne, einmal im Kostüm vom T-Shirtmotiv der Tour und einmal als The Trooper im roten Rock der britischen Kolonialsoldaten. Auf der Bühne weit weg zwar klein, im Vergleich zu den Musikern, die zwischen seinen Füßen herumkrabbelten aber doch beeindruckend riesig. Gut gemacht, in Zeiten von digitalen Tricks und KI generierten Filmen aber doch auch rührend old school und handgemacht.

Und als wichtigstes: die Musiker waren einfach routiniert und präsent, nicht zuletzt Bruce Dickinson, der mit immer wieder wechselnden Accessoires von Fliegermütze bis rotem Uniformrock links, rechts, unten und oben die Bühne entlangrannte und sicher einige Kilometer zusammengebracht hat.

Womit wir beim zweiten Stichwort sind, den Liveauftritten der Giganten der ersten Stunde. Das Format hat mich bisher nie so sehr gereizt, war mir auch dreistellige Beträge für einzelne Konzerte nicht wert (ich war eine Woche vorher für gleichviel Geld auf einem zweitägigen Festival - ok, da kam noch Übernachtung und Essen für zwei Tage dazu, aber es war schon mehr Musik fürs gleiche Geld). 

Und bei aller Liebe finde ich es nicht so reizvoll, wenn man älteren Herren (in den "ersten Stunden" des Metal waren es ja nur Herren) zusieht wie sie sich mit Mühe auf die Bühne schleppen und letztlich doch mehr von den Erinnerungen an die eigene Jugend und die der Zuhörer:innen zehren als von der aktuellen Bühnenform.

Aber: bei Maiden waren diese Bedenken wirklich nicht angebracht. Natürlich hopsen diese Musiker nicht mit so viel überbordender Energie über die Bühne wie junge Metalcore Bands. Aber präsent, routiniert und schon mit einer gewissen Spielfreude und nicht nur abgezockter Professionalität standen sie alle auf der Bühne. Das war eine legendäre Profiband, aber keine müde Rentnerband.

Ich werd das Risiko nicht suchen, noch oft auf so teure Konzerte solcher Bandveteranen zu gehen, aber dieses Konzert reiht sich definitiv ein in die kurze aber schöne Liste von anderen "Bands der ersten Stunde", die ich auf Festivals mit ihrer Mischung von Gründungsmitgliedern und nachgerückten Musiker:innen der (über-)nächsten Generation schon gehört habe, wie Alice Cooper, Status Quo oder gerade erst letztes Jahr Judas Priest als Highlight (mit, für meinen Geschmack, einfach unschlagbar fetziger Musik) auf dem Rockharz.

Stichwort "Stadionkonzert": Ich war auf das Format sehr gespannt, denn diese Art Mammutkonzert einer der ganz großen Bands in einem Stadion oder ähnlicher Location hatte ich bisher noch nie. Nachdem wir nicht allzu weit hinten standen, hat es sich dann nicht soo anders angefühlt als bei einem Festivalheadliner ziemlich hinten zu stehen.

Das Publikum war bunter, also viele, aber nicht nur, ausdrückliche Metalheads und mehr "normale" Leute mit oder ohne Maiden T-Shirt. Vielleicht lag es auch daran, dass die Leute einiges dichter standen und teilweise leicht verwirrt waren, als sich sogar hinter dem Wellenbrecher gegen Ende ein spontaner Moshpit gebildet hat. In Summe wars aber vor der Bühne ebenso wie beim Gang durch eine halbe Stunde Regen vor dem Konzert und auf dem Heimweg eine angenehme Gesellschaft, wenn man von zwei oder drei Dränglern und Schubsern absieht die eindeutig zu oft ihre Bierbecher nachgefüllt hatten.

Mein Gesamtfazit zum Format ist: es war ein tolles Erlebnis und eine gute Erfahrung, ich muss das aber nicht ständig haben. Bei kleineren Konzerten, auch vor den Hauptbühnen der größeren Festivals, kann man (wenn man mag) einiges weiter vorne und näher dran sein und nicht so dicht gedrängt stehen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist anderswo  besser, aber manche große Bands gibts halt nur in diesem Format oder gar nicht, und so was einmal erlebt zu haben war's definitiv wert.

Und ich fühle mich bestärkt in der Vorfreude auf Headliner wie Gojira und Machine Head auf dem diesjährigen Summer Breeze oder ein Wiedersehen (so Gott will und wir leben) mkt Alice Cooper auf dem Rockharz nächstes Jahr.

Montag, 28. Juli 2025

BiB 2025: Samstag

(wie in Teil 1: Bilder klicken zum Vergrößern)

Den Samstag eröffneten die Black Diamonds, die sich mit etwas Understatement der Rock'n Roll Fraktion zuordneten. Man könnte auch Glam Rock sagen, oder sich an Bon Jovi erinnert fühlen, aber nur ein bisschen. Ebenso musste ich mir den Gedanken verkneifen, dass das mit unverzerrten Gitarren schon sehr nah am Schlager wäre. Aber wenn man diese Assoziationen ausblendet ist es einfach unkomplizierte Gute Laune Musik.

Black Diamonds

Deutlich härter und bissiger klang es bei Oceans, die haben durchaus eine Kante in Richtung Core und Extreme und waren für mich eine der merkenswertesten Neuentdeckungen, zumal sie Anfang Oktober ganz bei uns in der Nähe im R'n'P Wiesloch vorbeikommen. 

Oceans

Das angedrohte Unwetter um halb drei zog an uns vorbei, der normale Regen um sechs hat uns doch erwischt. War aber nicht schlimm, denn um die Klangwolken von Heretoir zu genießen hatten wir uns ohnehin ganz hinten hingesetzt, da konnte man den Regenponcho einfach überziehen und sitzenbleiben. Zu welchem Anteil das "Klangwolkenerlebnis" wirklich an athmosphärischer Musik oder an meinem Müdigkeitsloch um diese Zeit lag, weiß ich nicht, es war aber definitiv eine schöne Chilloutmöglichkeit.

Heretoir, hier mal auf der von weiter hinten betrachteten Bühne mit der sehr ordentlich bespielten Videowand.

Apropos Videowand, das Bildmaterial dort war wirklich gut gemacht. Nicht nur mehrere feste Kameras, sondern auch eine gut und abwechslungsreich geführte Drohnenkamera sorgten für schöne Bilder. 

Nicht ganz ideal war vielleicht wie viele Fotos von Kindern dann auch im Internet gelandet sind, und komplett daneben fand ich, dass einige der, teilweise sehr kleinen, Kinder ohne jeglichen Gehörschutz unterwegs waren. Im Ganzen waren aber auch die vielen Kinder und Teenies ein Teil eines sehr familiären Festivals.

Angelus Apatrida - die Band hatte ich schon auf mehreren Festivals auf dem "würde ich mir auch gerne mal anschauen" Zettel, habs aber immer wieder doch nicht geschafft. Diesmal hat's geklappt (ein Hoch auf Festivals mit "nur" einer Bühne, da verpasst man nichts) und die haben mir richtig gut gefallen. Einfach solider Thrash, die kommen in Zukunft definitiv auf den "muss ich mir mal wieder anhören" Zettel.

Insgesamt waren einige Bands dabei, die auch auf dem Summer Breeze Lineup stehen (Angelus Apatrida selbst, Iotunn, aber auch The Halo Effect, die ich ja schon kenne oder Hellripper die auf dem BiB am Donnerstag gespielt haben und in mehreren Gesprächen sehr gelobt wurden). Nachdem ich die jetzt schonmal gehört habe, kann ich viel besser entscheiden ob ich gleich nochmal hingehe oder die Chance nutze stattdessen auf ner anderen Bühne was anderes zu hören.

Auch auf dem SBOA vertreten sein werden Borknagar - eine weitere Band die ich noch nicht kannte, auf dem SBOA gleich nochmal hören könnte aber vermutlich dann, eben weil ich sie diesen Sommer schon mal gesehen habe, dann zugunsten des parallelen SBOA Headliners In Extremo auslassen werde.

Borknagar

Any Given Day waren ein weiterer wirklich solider Headliner. Ein durch und durch starker Auftritt: musikalisch, optisch, vom Gesamteindruck und vom Engagement des Publikums her. Das ist so ne Band wo ich mich mit dem Einsortieren in Schubladen schwertue (Wikipedia sagt "Melodic Metal Core", damit ist iwie alles und doch nichts gesagt). Jedenfalls ein echter neuer Favorit, müsste auf Platte ganz gut zu hören sein, aber live mit gut aufgelegtem Publikum nochmal um ein paar Level gesteigert. Wow.

Any Given Day: viele Muskeln, viele Tattoos, viel laut, viel Spaß

Nirgends wurde mehr gemosht als bei Any Given Day. Zwei Walls of Death von vorne bis fast nach hinten haben mich auch zum Mitschubsen gekriegt, und das letzte Lied war den Damen gewidmet, die der Aufforderung zum massenhaften Crowdsurfen wirklich in Massen gefolgt sind - so viele Leute so dicht hinter- und übereinander hab ich noch nie auf einmal nach vorne weitergereicht.

Der Moshpit tanzt zu Any Given Day

Ein weiteres unerwartetes Highlight war Rotting Christ. Ich hatte da eher die Befürchtung, in der Kategorie "Erwachsene kostümieren sich und spielen Gottesdienst, um ihre Jugendtraumata mit übermächtigen Staatskirchen zu therapieren" zu landen und war angenehm überrascht: gradlinige Bühnenshow - schwarzgekleidete Menschen machen Musik, ohne viel optisches Gedöns. Aber was für Musik: Grundlage von satten, langen Black Metal Klängen und Akkorden, der Gesang oft genretypisches Screamen und teilweise fast schon ein Bellen, zwischendurch aber auch immer wieder Stücke mit thrash- oder speedmäßigen treibenden Rhythmen und mit singenden Gitarrenduos wie im Classic Rock. Sehr kurzweilig, sehr kompakt, sehr beeindruckend. Gerne wieder.

Zumal das Albumcover auf meinem Backpatch zwar band- und motivtechnisch eigentlich ganz woanders herkommt, aber bei genauer Betrachtung irgendwie auch einen "Rotting Christ" darstellt, auch wenn das ein völlig unbiblisches Bild ist.

Rotting Christ

Beim Abschluss-Headliner Hypocrisy waren wir uns nochmal alle einig: was für ein Brett! Eine wuchtige Klangmauer mit stabilem Sound, dynamischem Rhythmus und trotz Fieber beim Schlagzeuger und Bassisten gut aufgelegten Musikern. Ein echter Höhepunkt und großartiger Abschluss von zwei schönen Krachtagen.

Samstag, 26. Juli 2025

BiB 2025: Freitag

Ein markiger Name, ein kleines aber feines Festival als ehrenamtliches Projekt von Metalheads aus dem Markgräflerland: Baden in Blut. Mit zwei Kollegen hab ich mir das mal angeschaut.

(Auf die Bilder klicken gibt wie immer die vergrößerte Variante).

Bei der Sommerhitze war eine gute Idee, ins Eingangstor Wassersprenkler einzubauen, so dass man beim rein-und rausgehen etwas Feuchtigkeit aufnehmen konnte.

Venues (ohne Foto): Stuttgarter Band mit zwei starken Stimmen (eine männlich, eine weiblich). Ansonsten aber nur Schlagzeug und eine einzelne Gitarre auf der Bühne, die meiste Musik kam also irgendwie vom Band. Schade, das hat mich dann doch nicht so abgeholt.

Istapp: an sich ein stabiler, gut gemachter Black Metal Auftritt. Kurios ist halt, wenn man als Thema Winter und Eis hat (der Bandname heißt "Eiszapfen", das Logo ist eine durchgestrichen Sonne und das Bühnenoutfit sind schwere Winter-Overalls mit Kapuzen) und dann bei über 30 Grad in der Mittagssonne auftritt, während das Publikum aus dem Gartenschlauch mit Wasser berieselt wird.

Iotunn versuchen in schweren Wintermänteln das Eis als Gegenpol zur Sommersonne zu beschwören 

Iotunn: solider skandinavischer Metal. Diese Art Musik ist einfach die Grundlage, ohne die einem Festival was fehlt. Und eine der Bands, die ich in paar Wochen auf dem Summer Breeze nochmal hören kann (falls nichts anderes tolles parallel läuft).

Iotunn - einer der luxuriösen Auftritte mit Sänger und zwei Gitarren, da ist dann schon was los auf der Bühne.

Tribulation (ohne Foto): ich finde es ja immer ganz lustig, Bands in irgendwelche Genre-Schubladen einzusortieren, aber hier ist es mir nicht so richtig gelungen. Da stehen halt schwarz gekleidete, weiß geschminkte Leute auf der Bühne und machen Musik, richtig so mit Melodie, Text und bisschen Bumms. Macht Spaß, und darauf kommts an. (Wikipedia sagt übrigens Death Metal).

Soulfly: Wenn die Musik mal ins Laufen kommt, ist die Verwandtschaft mit Sepultura nicht zu leugnen. Leider lief sie nie lang, weil immer wieder Mitsingteile zu eher groovig-funkigen Klängen und andere Mitmachsachen dazwischenkamen - als Gemeinschaftserlebnis sicher nett, aber unterbricht für mich doch immer sehr den Flow eines Konzerts.

Soulfly - wenn's dann mal wieder ordentlich rumpelt, macht's schon Spaß.

The Halo Effect: Schon öfter gehört (zuletzt mit Dark Tranquillity in Heidelberg), und Mikael Stanne liefert immer gut gelaunte Auftritte ab und genießt sichtlich die Rolle als Headliner. Mir macht das immer wieder riesigen Spaß, musikalisch und von der Bühnenpräsenz her.

The Halo Effect