Nach langer Durststrecke gibt es wieder erste Livekonzerte. Die kleineren Formate mit lokalen Bands in kleinen Locations sind wohl risikoärmer und vermutlich deshalb schon etwas früher dran.
Letzten Freitag hab ich mir im Jubez Karlsruhe zwei Bands angehört, von denen ich in einem regionalen Youtube Kanal gehört hatte: die Thrasher von Entorx aus Speyer und Vorga mit Black Metal aus Karlsruhe.
Mit knapp hundert Besuchern war der Saal im Jubez lange nicht voll. Immerhin meinten die Leute vom Jubez, dass sie eher mit etwas weniger gerechnet hätten, es war also schon ein Erfolg dass überhaupt so viele Metalheads kamen. Coronagemäße Abstände waren also möglich und mit ganz wenigen Ausnahmen wurden die Masken nur zum Biertrinken kurz abgenommen.
Dass mir Entorx gefallen würde, war schon vorher absehbar: ordentliches Thrash/Death Metal ist genau mein Ding, und die aktuelle Platte "Faceless Insanity" klingt auch genau so.
Nicht selbstverständlich war, dass die Band auch live genau das abliefern kann, was die Platte verspricht, nämlich richtig gut gemachter Thrash: sportliches, präzises Schlagzeug, technisch saubere Gitarren (mit insgesamt 19 Saiten auf drei Geräten :), und ein engagierter Bühnenauftritt mit viel Spielfreude.
All das ist irgendwie das Pflichtprogramm. Zwei Dinge fallen bei Entorx aber noch besonders auf, vor allem, wenn man das so sagen darf, bei einer "Amateurband".
Da sind einmal die Vocals: Der Lead mit vollen, gutturalen, rhythmischen Growls, dazwischen wütende, verzweifelte oder wilde Screams und auch ab und zu ruhige Passagen mit Klargesang, wirklich phänomenal. Und wenn sich dann ab und zu noch wuchtige Bass-Growls drüber legen, versteht man auch, warum die beiden Gitarristen jeweils nochmal Mikrophone vor sich haben. Drei Sänger mit insgesamt mindestens fünf verschiedenen "Stimmen", das macht schon was her.
Das ist sicher auch eine Erklärung, aber nicht die einzige, für die andere Stärke der Band: die Tracks auf den einzelnen Platten und im Verlauf des Abends sind extrem abwechslungsreich, kein Song klingt wie der andere. Dass man das Tempo, die Stimmung und den Gesamteindruck von Stück zu Stück so stark variieren kann und insgesamt doch einen stimmigen Auftritt hinlegt, ist schon stark.
Zu Vorga, der zweiten Band des Abends, lichteten sich die Reihen im Publikum schon etwas. Ich bin selber auch kein eingefleischter Black Metal Fan, da sitzt das Vorurteil zu tief dass es oft eher nach diversen Industriegeräuschen als nach Musik klingt.
Aber der Auftritt hat mir dann doch ziemlich gut gefallen, er war musikalisch und athmosphärisch sehr stimmig. Die "Fans und Family" im Publikum haben dazu sicher auch beigetragen.
Die vorurteilsgemäßen Industriegeräusche vom Band gab es zwar, aber nur als Pausenfüller zwischen den Stücken (und das finde ich gut, viel besser als Stille oder belanglose Ansagen).
Solide Grundlage war auch hier ein hartes, treibendes, schnelles, abwechslungsreiches Schlagzeug. Darüber war die Musik klar als Gitarrenmusik erkennbar, kam aber doch verhallt in breiten und dichten Klangwolken. Zusammen mit den mindestens genau so stark verhallten Screams ergab sich ein akustischer Effekt fast so blickdicht wie das zeitweise stark vernebelte Bühnenbild, und so mysteriös wie die Gesichter hinter aufgesetzten oder aufgeschminkten Masken und unter dunklen Kapuzen.
Wenn so eine Gesamtperformance typisch Black Metal ist, und sich dabei (hoffentlich) nicht durch und durch ernstnimmt, sondern ein bisschen Freude am Verkleiden und Theaterspielen hat, kann ich mich dafür durchaus erwärmen.
Ganz abgesehen davon: wenn schon die Performer auf der Bühne vollmaskiert und in dicken Kapuzenjacken auftreten, kann das Publikum auch ne FFP2 Maske tragen, das ist mir jedenfalls lieber als noch länger zuhause zu hocken und immer nur Musik von der Konserve zu hören oder Onlinekonzerte.
Also, wie schon auf
Insta gesagt: danke an Bands und Veranstalter für den Mut, wieder Livemusik vor Ort anzubieten.